Warum wird Plasma gebraucht?
Die Abscheidung von dünnen, nanostrukturierten Schichten ist eine der Schlüsselaufgaben unserer modernen Produktionstechnologie. Viele Produkte des täglichen Lebens, wie z.B. elektronische Geräte, PET-Flaschen, funktionelle Oberflächen, Solarzellen, Raumfahrttechnik, Brillenbeschichtung, Linsen oder große Architekturgläser erfordern solche Verfahrenstechnik.
Ätz- und Beschichtungsverfahren werden eingesetzt, um Materialien auf mikroskopischer Ebene zu strukturieren. Dies ermöglicht funktionelle Beschichtungen zur Wasserabweisung, für besondere Robustheit oder Verträglichkeit mit biologischen Organismen sowie die Dekontamination von Oberflächen oder verbesserte Gasbarrieren in PET-Flaschen zum Produktschutz. Die eingesetzten Verfahren sind meist plasmagestützt, technisch anspruchsvoll, physikalisch und chemisch komplex und bieten dem Anwender ein breites Spektrum an zumindest theoretisch vielen Freiheitsgraden.
„Ohne diese Technologie säßen wir in den 1970er Jahren fest und würden über blecherne Kopfhörer Discomusik auf unseren „kleinen“ tragbaren Kasstenspieler hören. Das Herumtragen von Laptops wäre eher für die Fitness als bequem und für „mobile“ Smartphones wären Räder erforderlich.„
übersetzt aus: Plasma etching: „Yesterday, today, and tomorrow“, Journal of Vacuum Science & Technology A 31, 050825, 2013
schreiben Donnelly und Kornblit der Universität von Houston 2013, um die Wichtigkeit der Plasmaprozesstechnologie hervorzuehen, vor allem für Ätzanwendungen in der Mikrosystemtechnik.
Aber was ist Plasma?
Tatsächlich umgeben Plasmen den Menschen. Vor allem befindet sich die Materie im Weltraum im so genannten Plasmazustand, der oft als vierter Aggregatzustand der Materie (neben dem festen, flüssigen und gasförmigen Zustand) definiert wird. Er beschreibt ein Gas, das bis zu einem gewissen Grad ionisiert ist. Freie geladene Teilchen (Elektronen, Ionen) können in Feldern transportiert werden, was einen Strom definiert. Beispiele für natürlich vorkommende Plasmen sind z.B. die Sonne, Blitze und Nordlichter.
Freie Elektronen im Raum, die z.B. durch kosmische Strahlung aus Atomen oder Molekülen freigesetzt werden, werden durch elektrische Felder beschleunigt und stoßen mit schweren Gasteilchen zusammen. Elastische Zusammenstöße verändern den Impuls der Teilchen. Inelastische Stöße hingegen verändern die innere Energie von hauptsächlich schweren Teilchen. Es kommt zum Beispiel zu Dissoziation, Anregung und Ionisation. Bei der Ionisation werden Paare aus negativ geladenen Elektronen und positiven Ionen gebildet, indem ein Elektron aus dem Atomkörper des neutralen Teilchens freigesetzt wird.
Anwendungsbeispiel: Sputterabscheidung
Seit mehr als 100 Jahren sind Sputterprozesse für die Dünnschichtabscheidung bekannt. Solche Schichten werden in verschiedenen Bereichen wie z.B. der optischen Industrie dringend benötigt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden verschiedene Sputtertechnologien und eine Vielzahl von Messtechniken entwickelt. Die Kathodenzerstäubung wird als physikalische Abscheidung aus der Gasphase (physical vapor deposition – PVD) klassifiziert. Bei diesem Verfahren wird ein fester Körper im Vakuum durch ein Plasma behandelt. Hochenergetische Ionen, z.B. Argon-Ionen, die auf dieses Target genannte Material treffen, brechen Oberflächenbindungen auf und schlagen einzelne Atome aus dem Festkörper heraus. Diese Teilchen kondensieren an Oberflächen, zum Beispiel auf einem Substrat. Erste Publikationen zu diesen Prozessen stammen aus dem 19. Jahrhundert. Gängige Prozesse sind (gepulste) Gleichstrom- oder Mittelfrequenz-Magnetron-Plasmen. In den 1930er Jahren wurde das weite Feld der Sputterbeschichtung um Rolle-zu-Rolle-Prozesse auf flexiblen Substraten erweitert. Zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden mit Hilfe besserer Modelle neue und moderne Konzepte für kapazitiv gekoppelte Hochfrequenz (HF)-Plasmen (CCP) entwickelt. Insbesondere der Einsatz rotierender Magnetrons Anfang der 1980er Jahre ermöglichte ein abstimmbares asymmetrisches Magnetron-Sputtern mit höherer Ionisationseffizienz und noch später das gepulste Hochleistungs-Puls-Magnetron-Sputtern (HPPMS).
„Reaktives Sputtern“ tauchte erstmals 1953 auf. Durch die Verwendung von zusätzlichem Reaktivgas ist es möglich, mit einer metallischen Targetoberfläche eine keramische Verbundschicht abzuscheiden. Zum Beispiel reagiert Sauerstoff mit gesputtertem Aluminium zu Aluminiumoxid. Die durch die Targetoxidation veränderten Mechanismen, zum Beispiel die Sekundärelektronenemission und die Sputterausbeute, sind noch Gegenstand der Forschung. Mindestens acht Nobelpreisträger in Physik und Chemie hatten einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der modernen Sputterverfahren, zum Beispiel Joseph Thomson 1906 für seine Entdeckung des Elektrons oder Irving Langmuir 1932 für seine Arbeiten zur Oberflächenchemie.